Ich möchte mit Gott streiten
Ein Treffen mit Ahmad Mansour
Im „Salt’n Sweet“ in Schöneberg gibt es Splitterbrötchen und Schusterjungen, Humus und Börek und Coffee to go, nur das Bier, dass ein älterer Herr in einer grauen Windjacke bestellt, muss er im Späti eine Straßenecke weiter kaufen.
Dieses Berliner Café ist ein kosmopolitischer urbaner Ort, der perfekt zu Ahmad Mansour passt. Der Psychologe und Autor, der sich selbst als palästinensischer Israeli bezeichnet, arbeitet unter anderem bei HEROES, einem Projekt in Berlin Neukölln, zur Förderung der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Jugendlichen aus streng ehrenkulturellen Strukturen. Seit dem Erscheinen seines Buches „Generation Allah“ ist er ein gefragter Experte zum Thema der Radikalisierung von Jugendlichen. Die Ratschläge und praktischen Anweisungen, die er in diesem Buch gibt, wenden sich – vor allem in Hinblick auf Integration und Bildung – an die Politik und somit an die Regierung Deutschlands. Für sein Engagement in der Beratungsstelle gegen Radikalisierung „Hyat“ (zu Deutsch Leben), in der er Eltern von radikalisierten Jugendlichen zur Seite steht, wurde er mit dem Moses-Mendelssohn-Preis ausgezeichnet.
Vor ein paar Monaten habe ich Mansour in der Schweiz, bei einem gesellschaftlichen Ereignis zum Thema Europa kennengelernt. Da hatte er – der bereits dreizehn Jahre in Deutschland lebt – gerade die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Bei dieser Zusammenkunft scharten sich die Politiker um ihn. Man wollte von ihm wissen, wie er es schafft, gefährdete Jugendliche vom Pfad des Extremismus abzubringen und weshalb der Meinung ist, der Islam sei kein Teil von Deutschland.
Der Bürgermeister einer norddeutschen Großstadt wollte mit ihm über die, aus seiner Perspektive gelungene Ausländerpolitik reden. Doch Mansour hatte vor allem eine Message: Es gibt noch unendlich viel zu tun in Sachen Erziehung, Bildung und Integration. In Deutschland herrsche ein falsches Islamverständnis vor, das er Kuscheltoleranz nennt. Es werde nicht ausreichend erkannt, wie sich der Islam gegen Demokratie und Menschenrechte wendet, wie aus islamistischer Ideologie Terror entsteht.
„Es lebt nun die dritte Generation von muslimischen Zuwanderern in Deutschland, dennoch kommt die Integration nicht voran. Und die dritte Generation junger Türken wählt wieder Erdogan. Wir brauchen Aufklärung, eine reformierte Pädagogik, eine bessere Ausbildung von Lehrern und Erziehern. Deutschland steht ganz am Anfang einer großen Aufgabe.“
Es ist erstaunlich, wie kühn dieser Mann seine Meinung vertritt, wie er sich für Demokratie und Gleichberechtigung einsetzt, unter absoluter Gefahr für sein eigenes Leben. Das imponiert mir. Mansour ist ein mutiger, unerschrockener Gesprächspartner. Vielleicht ist das auch das der Grund dafür, dass alle mit ihm reden wollen, im Netz finden sich zahlreiche Interviews mit ihm. Beachtlich ist auch die Menge der Talkshowauftritte die er absolviert hat. Ich gestehe, ich hatte Bedenken, den gefragten Mann zu langweilen.
Ahmad Mansour nickt. Er ist ein höflicher Mensch, mit einer leisen Stimme, in der jedoch eine gewisse sozialpädagogische Strenge mitschwingt. Ja, er sei Interviews zum ewig gleichen Thema wirklich leid, zumal mit schlecht informierten Gesprächspartnern.
Ich bin keine Islamforscherin und auch keine Soziologin. Wie die meisten meiner Freunde verteidige ich Toleranz und Weltoffenheit, ohne muslimische Menschen in meinem Bekanntenkreis zu haben, mit Ausnahme einer einzigen türkischen Schriftstellerin, die ich sehr schätze.
Mich interessiert besonders Mansours Meinung zu Geschlechterfragen, zur Gleichberechtigung und seine Haltung zu dem, was er ein „patriarchales Religionsverständnis“ nennt.
Unser Gespräch beginne ich mit einer Anekdote und lande auch gleich im Fettnäpfchen: Vor ein paar Wochen, an einem schönen Herbstmorgen, saß ich in der S-Bahn, die Sonne schien durch die verschmierten Fenster, und ich hatte gute Laune. Mir schräg gegenüber saßen zwei Jungs arabischer Herkunft, siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Beide waren adrett gekleidet und ordentlich, fast altmodisch frisiert. Sie unterhielten sich angeregt, bis der eine zu mir herüberschaute und lächelte. Ich lächelte freundlich zurück. Darauf machte der Junge eine obszöne Geste und zeigte auf mich. Sein Freund drehte sich zu mir um, und beide brachen in dreckiges Gelächter aus. Die Reaktion dieser jungen Männer hatte mir nicht nur den Tag versaut, sie hat mich auch langanhaltend irritiert. Erst war ich peinlich berührt, dann angewidert. Was hatte ich falsch gemacht? „Hätte ich die jungen Männer nicht anlächeln dürfen?“, frage ich also Ahmad Mansour.
Der legt die Stirn in tiefe Falten. „Das ist nicht die richtige Haltung“, sagt er nachdenklich. Die Frage bestürzte ihn und machte ihn gleichsam traurig. Anstatt mich zu fragen, ob ich einen Fehler gemacht hätte – ganz offensichtlich sei an meinem Verhalten ja nichts Anstößiges gewesen – sollte ich besser erforschen, woher solche Reaktionen bei arabischen Männern rühren könnte. Wie kommen diese Jungen darauf, sich einer Frau gegenüber derart ungebührlich zu benehmen? Was sei meiner Meinung nach die Ursache dafür?
Keine Ahnung. Ich weiß nur, wie sehr mich Typen wie diese und ihr Ehrenkodex nervt. Was ist das für eine Ehre, die ich in ihren Augen anscheinend nicht besitze? Dieser Lobgesang auf eigenen Ehefrauen, Schwestern und Mütter und die Verurteilung der unreinen deutschen Frau, die man blöde anmacht – das ist doch schizophrenes Denken. Situationen wie diese machen mich wütend. Neuerdings hört man solche Sprüche allerdings auch bei den Pegida-Männern. Dort macht man sich Sorgen gemacht um „unsere Frauen und Töchter“. Deutschland wird von einer Frau regiert, und es gibt immer noch eine Haltung, als da nie eine Frauenbewegung gewesen, als seien Frauen in manchen hinterwäldlerischen Regionen Deutschlands noch immer Privateigentum des Mannes.
Die Wurzel dieses Phänomens liegt für Mansour in den patriarchalen Strukturen, in denen Männer aufgewachsen sind, ganz gleich ob in Deutschland oder im Nahen Osten.
Ich will wissen, ob es sein kann, dass diese Typen aus der S-Bahn die Zeichen, die Körpersprache, den ganzen Habitus der westlichen Frau nicht verstehen. Vielleicht sind sie gerade erst in Deutschland angekommen und mit den ihnen unbekannten Geschlechtersignalen überfordert.
Ahmad Mansour rührt in seinem Tee. Er merkt, er muss noch einmal ganz von vorne anfangen.
„Diese jungen Männer sind gehemmt und verfügen über kein Selbstbewusstsein. Daher verachten sie Frauen, die selbstbewusst und weltoffen auftreten.“
Auch er hätte als junger Mann, neu in Berlin, geglaubt, alle Frauen, die nach Zwölf noch in einer Kneipe säßen, würden einen Mann für die Nacht suchen. Er wäre sich nur nicht sicher gewesen, ob er derjenige sei, auf den sie warteten. Dass diese Frauen leicht zu haben sind, dieser Irrglaube hätte sich dann jedoch schnell gelegt. Ein Studium der Psychologie kann bei der Überwindung von sexistischen Vorurteile und körperlicher Verklemmtheit natürlich hilfreich sein.
„Eine prüde und körperfeindliche Erziehung ist in vielen islamischen Familien aber auch heute noch an der Tagesordnung.“
Mansour erzählt von einem palästinensischen Mädchen, zwei Jahre alt. Es wurde, nur weil es breitbeinig auf einem Stuhl gesessen hatte, für dieses nicht sittsame Verhalten ausgeschimpft. Ohne zu ahnen, was es falsch gemacht hatte, wurde es von den Eltern bestraft.
Er erzählt wie er im Alter von vier Jahren mit einem Nachbarmädchen „Eltern“ gespielt hatte – die beiden hatten sich im Garten gemeinsam eine Wohnung gebaut und mit Sand gekocht – und wie er darauf von seiner Mutter geohrfeigt wurde. Die Mutter des Mädchens hatte sich bei den Mansours beschwert. Jungen und Mädchen sollten nicht miteinander spielen, so hatte es damals geheißen.
Er berichtet von einem libanesischen Jungen, der in Deutschland beim Anblick von Kindern, die an der Hand ihrer Eltern zur Schule gebracht wurden, in Tränen ausgebrochen war. Seine Eltern hatten ihn noch nie an die Hand genommen, nie zur Schule begleitet. „Es ist die Kälte und die Lieblosigkeit des Islam, der die Kinder beschädigt.“ Während Mansour das sagt, spürt man, wie sehr ihn die religiöse Härte, mit der er selber erzogen wurde, bis heute verfolgt.
Ein anderes Problem sei die Erziehung der arabischen Jungen zum Aufpasser ihrer Schwestern und der anderen weiblichen Familienmitglieder. Die Brüder werden abends vom Vater losgeschickt, um die Schwester zu überwachen und nach Hause zu bringen. Und die Schwestern trauen sich nicht sich zu wiedersetzten, da auch die Mutter ihnen keine Hilfe bietet.
„Die Mütter sind eine wichtige Stütze in den männlichen Unterdrückungsstrukturen. Dieser Kreislauf kann erst dann durchbrochen werden, wenn die jüngeren Frauen lernen sich zu verweigern. Doch die Frauen haben Angst, und mit einer angstaufgeladenen Erziehung beginnt, was in einer verkorksten Körperlichkeit und in verklemmter Sexualität mündet“.
Die Tabuisierung der Sexualität hält Mansour für ein ursächliches Erziehungsproblem, gleich in welcher Religion – insbesondere aber im Islam.
Er sagt, er sei für diese These schon von vielen Meinungsgegnern angefeindet worden. „Geh weg mit deinem Sigmund Freud“, heißt es dann immer nur abfällig. „Psychoanalyse als jüdische Theorie war nicht nur das Problem der Nationalsozialisten.“
Aber woher rührt die Prüderie, sind heutzutage nicht alle Menschen durch das Internet aufgeklärt? Sexualisierung ist allgegenwärtig dank Pornografie.
„Pornografie ist nicht Sexualität“, sagt Mansour.
Die freie Verfügbarkeit von Pornos, die natürlich in der arabischen Welt genauso konsumiert werden wie in Deutschland, hält er für ein weiteres Problem, das den Rückschritt der Gleichberechtigung befördert.
Mich wundert es, wie häufig Mansours Aussagen, die sich zunächst auf islamische Jugendliche beziehen, auch im Allgemeinen auf die westliche Welt zutreffen.
„Kennen Sie Pornos, in denen die Frau als selbstbestimmtes Wesen ihre Sexualität lustvoll ausleben darf“, fragt er mich. Ich gebe zu, ein paar wenige dieser Art zu kennen, aber wir sind uns sofort einig, dass die Filme aus den Studios skandinavischer Filmemacherinnen selten von Männern in Dortmund oder Görlitz geschaut und auch in Mossul und Raka eher selten gestreamt werden.
„In den meisten Pornos geht es um Verachtung. Und Verachtung ist auch der Motor für Gewalt und Unterdrückung, für Attentate im Namen der Religion und die Tötung von Ungläubigen, Andersgläubigen, unschuldigen Kindern und Frauen. Verachtung ist ein Hassmotiv, das aus Minderwertigkeitsgefühlen und Ängsten entspringt“, sagt Mansour nachdrücklich.
Männern aus patriarchalen Strukturen gehe es darum, die Frau zu besitzen.
„Auch mein Vater sagte immer: Frauen sind wie Autos, man darf sie nicht teilen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher die Fixierung auf die Jungfräulichkeit bei den arabischen Männern kommt?“
„Reinheitsphantasien?“, biete ich als Lösung an. Die Idee des Waschens und der Sauberkeit scheint etwas sehr Zentrales im Islam zu sein.
Er lacht. Das würden ihm die jungen Araber auch immer weismachen wollen.
In Wirklichkeit sei dieser Wunsch aber im Besitzanspruch des Mannes auf die Frau begründet. Die Frau gehört einem Mann, sie ist sein Eigentum. Ist sie keine Jungfrau mehr, gehört sie in dieser Logik mehreren Männern, und das führe zu agressionsgeladenen Konflikten. „Das der Sex mit einer Jungfrau, die unerfahren ist, so cool sein soll, glaub ich denen nicht “, sagt Mansour.
„Und Sex haben die meisten jungen Männer zur Genüge, die könne doch vergleichen. Aber auch eine emanzipierte Frau hat Vergleichsmöglichkeiten. Und hier beginnt die nächste Angst, die Angst vor der Zurückweisung. Selbstbestimmte Frauen wecken in Männern Minderwertigkeitskomplex, die Angst, den Vergleich mit einem Vorgänger nicht standhalten zu können.“
Ich staune, das sind Sätze, die ich selten von einem Mann gehört habe. Die Bezeichnung Feminist kommt mir dürftig vor. Seine Argumentation ist nicht nur die eines Mannes, der für die Gleichberechtigung einsteht, aus ihr spricht auch Humanismus, eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.
Jetzt, wo wir in einer etwas gelösten Stimmung sind, traue ich mich auch, ihn zu fragen, warum der Islam eigentlich so humorfern ist. Mir kommt gerade diese Religion besonders wenig lustig vor. Mansour wird schlagartig wieder ernst. „Keine Religion ist lustig. Wenn im Mittelpunkt des Lebens die Religion steht, gibt es wenig zu lachen“. Ich wende ein, dass ich zwar den Katholizismus und den Protestantismus auch nicht gerade als humorvoll empfinde, es im Judentum aber doch ziemlich viel Humor gäbe, immerhin erzähle man sich da doch diese vielen Witze, die zwar keiner außer den Juden erzählen dürfe, die diese aber mit unnachahmlicher Selbstironie vortrügen.
„Im Judentum ist es erlaubt, Fragen zu stellen, zu hadern, zu diskutieren, zu debattieren – das ist etwas Befreiendes, das ist emanzipierte Religion!
Der Koran hingegen bedeutet: der Text ist die Wahrheit – Punkt.“ Hochstaplerglaube nennt Mansour diese leere Schriftgläubigkeit.
„Ich möchte mit Gott streiten dürfen“, sagt er, und dieser Satz fällt in den Raum, wie der gleißende Sonnenschein durch das große Fenster neben unserer Sitzbank. Wir machen eine Pause und trinken unseren Tee.
Streitsam und lustig sind, meiner Meinung nach, die „Datteltäter“, deren Satire-Videos auf YouTube zigtausend Clicks bekommen. Die vier jungen Berliner aus dem Wedding, drei von ihnen Muslime, spielen mit Vorurteilen und Reizwörtern. Sie machen sich lustig über die NPD, über den IS und verkünden ein Satire-Kalifat. „Humor ist die beste Waffe gegen Angst“, behaupten die Comedians.
Aber das bisschen Jonglieren mit Vorurteilen und eine Prise Selbstironie ist Mansour zu wenig. „Die Datteltäter dringen nicht in die Tiefe vor. Die Präsenz von Fremdenfeindlichkeit im Netz, von Videos in denen Hass gegen Muslime geschürt wird, ist eine Sache, gegen die ganz anders angegangen werden muss.“ Für erschreckend hält er die Fülle an Filmen von islamischen Scharfmachern.
„Islamisten wissen ihre Medienpräsenz im Internet kompetent zu nutzen. Wie viele Videos von Demokraten stehen diesen unzähligen Propagandafilmen gegenüber? Während die Bundesregierung ab und zu ein aufklärerisches Video lanciert, verbreiten islamischen Extremisten ihre Verschwörungstheorien im Minutentakt. Hier schläft die Politik. Macht über die Narrative politischer Ereignisse in den sozialen Medien sollten wir nicht Antisemiten, Islamisten und denjenigen überlassen, die immer die Schuld bei anderen suchen“, meint Mansour.
Auf Facebook kann man sich ein erhellendes Video ansehen, eine Kooperation der Friedrich-Naumann-Stiftung mit dem Muslimischen Forum Deutschland zum Thema Verschwörungstheorien. Davon müsste es viel mehr geben.
„Jugendliche haben eine Aufmerksamkeitsspanne von zwei Minuten. Extremisten wissen das zur Verbreitung ihrer radikalen Ansichten zu nutzen. Videos, wie zum Beispiel die der extremistischen „Killuminati“ sind hochgradig wirksam. Warum kontert die Regierung hier nicht mit adäquaten Bildern und einer coolen Message?“
Ich muss an die lässigen Slogans der BSR denken. „We kehr for you“, als Aufkleber auf den Kehrmaschinen der Berliner Stadtreinigung zum Beispiel. Vielleicht sollte sich die Bundesregierung mal deren Werbeagentur kurzschließen? Ein paar lässige, lustige und weit verbreitete Sprüche gegen Extremismus – das wäre doch ein Anfang.
Die Frau in der Runde der „Datteltäter“ ist im Übrigen eine Poetry-Slammerin. Sie trägt Kopftuch. Während sich die „Datteltäter“ in ihren Videos über das Kopftuchtragen genauso wie auch über das Kopftuchverbot lustig machen, wirft sich Nemi el-Hassan in absurde Kostüme und trägt die schrägsten Perücken, dabei sieht man jedoch nie ihr Haar. Womit wir bei dem Thema sind, für das Ahmad Mansour in der letzten Zeit die heftigste Kritik abbekommen hat: Das Kopftuchverbot, dessen Befürworter er ist.
„Wenn meine Tochter mich später mal richtig ärgern will, dann muss sie sich nur ein Kopftuch umbinden.“ Da geht es mir allerdings genauso.
„Kopftuchtragen ist natürlich Privatsache, und das Gefühl von Freiheit ist individuell.“ Aber Kopftücher auf den Köpfchen von Kindergarten- und Grundschulkindern? Das geht Ahmad Mansour zu weit. Er fordert allgemeingültige Regeln für alle. „Man darf sein Kind ja auch nicht nackt zur Schule schicken, nur weil man Nudist ist.“
Auch in öffentlichen Ämtern, im Schuldienst, bei der Polizei und in der Politik hat das Kopftuch seiner Meinung nach nichts zu suchen, Schließlich sei ja auch Polizisten das Zuschaustellen ihrer Tattoos im Dienst verboten.
„Lehrer sind Vorbilder. Das Kopftuch in der Schule ist ein falsches Zeichen. Es vermittelte patriarchale Strukturen.“
Und nein, als einen Akt des Feminismus lässt er das Kopftuchtragen schon gar nicht durchgehen, da können die Befürworterinnen behaupten was sie wollen.
„Das Kopftuch ist kein Freiheitsgebot.“ Frauen, die Kopftuch tragen, glauben an einen strafenden Gott, an einen männlichen Gott.
Im Koran steht: „Mohammed, sag deinen Frauen, dass sie sich bedecken müssen.“ Ob das etwa in meinen Ohren nach Gleichberechtigung klänge?
Nicht wirklich.
In der Familie Mansour, zuhause in der Heimatstadt Tira tragen heute Mutter und auch Schwester Kopftuch. Von der Mutter gibt es noch Fotos im Minirock, aus den siebziger Jahren. Aber nach dem Tod ihres Mannes hat sie das Kopftuch angelegt, und nachdem die Schwester Kinder bekommen hat, diese ebenfalls überredet ihr Haar zu verhüllen. „Da kann man nichts machen“, sagt Mansour. „Das ist ihre Sache.“ Aber auf die Barrikaden geht er, wenn es seine Nichten treffen sollte. Auch seine Schwester rief früher immer den großen Bruder in Deutschland an, wenn sie sich mit der Mutter stritt. Wenn sie nicht auf eine Party gehen durfte, oder die Mutter von ihr verlangte, viel zu früh am Abend wieder zu Hause zu sein. Dann ließ er die Mitter mal ans Telefon kommen. Mansour lacht: „Und dann spielte ich den Macho und sagte ihr, sie sollte meine Schwester nicht einengen. Immerhin bin ich ja der große Bruder und kann einen gewissen patriarchalen Druck ausüben, das habe ich schließlich gelernt.“
Nun ist es Zeit, aufzubrechen. Ahmad Mansour muss seine Kinder aus der Krippe abholen. Während er aufsteht und sich den Schal umbindet, sagt er noch einmal mit dieser bemerkenswerten sanften Beharrlichkeit:
„Ich wünsche mir von der Gesellschaft, dass niemand Sex vor der Ehe und Homosexualität tabuisiert und dass geschiedene Menschen keine Repressalien erfahren müssen. Ich wünsche mir weniger Unterdrückung und mehr Liebe.“
Damit macht er sich auf den Weg zur Kasse. Ich bitte darum, ihn einladen zu dürfen.
„Sie wissen schon, dass Sie damit unter patriarchalen Gesichtspunkten ganz schön Macht über mich ergreifen“ sagt er, wieder lachend.
Am Tresen kauft er noch ein Brot, dann winkt er freundlich und ist verschwunden. Draußen hat sich auch die Sonne verabschiedet, es stürmt und regnet plötzlich. Als ich bezahlen will, hatte ihm die Verkäuferin den Tee schon mit auf die Einkaufsrechnung gesetzt.
monica Wapnewski
Da seid Ihr auf den Punkt gekommen der so Central ist Sexualerziehung,schon das Wort klingt falsch, und haben wir dafür Richtlinien ?
Da muss sich viel bewegen , Danke liebe Eva für Deinen wichtigen Beitrag dazu !den ich in n Sri Lanka lese! Herzlichst, monica